00:00:00: Guten Tag! Meine heutige Episode aus dem Buch Gottlose Type hat sehr viel auch mit
00:00:09: aktuellen Ereignissen zu tun. Sie ist überschrieben mit Kölner Keupstraße.
00:00:16: Nach dem 4. November 2011 wurde es publik. Eine Nazi-Bande namens
00:00:24: »Nationalsozialistischer Untergrund « (NSU) war über zehn Jahre lang mordend und
00:00:31: raubend durch die Bundesrepublik Deutschland gezogen,
00:00:34: unbemerkt und unbehelligt. Man muss allerdings viele Fragezeichen wegwischen, um diese offizielle
00:00:43: Version zu glauben. Ich habe als Ob-Frau der Fraktion
00:00:47: DIE LINKE im Untersuchungsausschuss des Bundestages
00:00:50: mitgearbeitet. Dabei ging es primär um das staatliche
00:00:55: Versagen, also der Polizei, verschiedener Geheimdienste
00:01:00: und der Justiz. Wir haben in Abgründe geschaut, auch in rassistische. In einem
00:01:08: amtlichen Ermittlungsprotokoll stand nach einem weiteren Mord,
00:01:13: diese Brutalität sei für den westeuropäischen Kulturkreis
00:01:18: völlig untypisch. Ein Staatsanwalt notierte bei einem
00:01:24: anderen Fall, man sei europaweit auf der Suche nach Zigeunern. Selbst auf
00:01:32: meine Nachfrage im Ausschuss fand er das Schimpfwort Zigeuner völlig
00:01:36: angemessen. Wie andere
00:01:39: Ausschussmitglieder besuchte ich etliche Tatorte, um mir ein Bild zu machen. Wir wollten
00:01:45: uns nicht allein auf Akten verlassen. So war ich auch
00:01:50: in der Kölner Keupstraße. 2004 hatten Böhnhardt und
00:01:55: Mundlos dort eine Nagelbombe platziert und gezündet.
00:01:59: Zwei Dutzend Anwohnerinnen und Anwohner wurden zum Teil lebensgefährlich
00:02:05: verletzt. Mein Begleiter öffnete mir etliche Türen. Ich sprach mit einigen
00:02:12: Betroffenen des NSU-Attentats. Zum Beispiel mit dem Inhaber des Geschäftes, vor dem die Bombe
00:02:19: explodierte. Er sagte mir, dass er noch im Herbst 2011,
00:02:25: also sieben Jahre nach dem Anschlag, von der Polizei
00:02:30: bedrängt wurde. Er solle endlich aussagen, was er mit
00:02:35: alledem zutun habe. Schließlich brach es aus ihm heraus:
00:02:40: »Ich weiß, Frau Pau, auch die Polizei kann irren. Aber sie haben vergessen, dass wir Menschen sind.
00:02:49: Das kann ich nicht verwinden.« Mein Begleiter lud mich hernach noch zu einem
00:02:55: Glas Tee ein. Zum Abschied fragte er mich fast verzweifelt:
00:03:00: »Ich lebe jetzt seit rund 40 Jahren hier. Ich bin Deutscher, meine Kinder sind Deutsche, meine
00:03:07: Enkel auch. Wo sollen wir denn hin?« Ich habe diese Episode heute mit Bedacht
00:03:16: ausgewählt. Ich hätte nicht gedacht, dass im Jahr 2021 in einer Sendung des öffentlich
00:03:25: rechtlichen Rundfunks, des Westdeutschen Rundfunks das Z Wort ohne Diskussion und ohne
00:03:34: Kritik entsprechend verwendet wird und es erst einer öffentlichen Aufschreis in den Netzwerken
00:03:41: und unter Journalist*innen Kollegeninnen und Kollegen bedurfte um den WDR dazu zu bringen,
00:03:47: deutlich zu machen, dass er hier einen Fehler gemacht hat! Aber auch ein anderes Ereignis hat
00:03:55: mich zu dieser Episode in dieser Woche motiviert. In wenigen Tagen jährt sich
00:04:02: der tödliche Mordanschlag in Hanau. Bis heute ist in den offiziellen Statistiken
00:04:10: nicht ordentlich vermerkt, was das war. Ein Mord und Mordanschläge aus rassistischen,
00:04:19: neonazistischen Gründen und ganz wichtig: Nein! Der Täter mag selbst und einzeln
00:04:29: geschossen haben aber eine Einzeltäter ist er auf gar keinen Fall, er sah sich als Teil eines
00:04:37: Weltweiten Netzwerkes. Daran möchte ich mir der heutigen Episode erinnern und ich hoffe, dass wir
00:04:46: uns bald wieder in echt treffen können und nicht nur aus dem Buch vorlesen, sondern miteinander
00:04:54: darüber reden können wie wir Bürgerrechte und Demokratie und zwar für alle durchsetzen!