Petra Pau - Gottlose Type

Petra Pau - Gottlose Type

Transkript

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00:00:00: Guten Tag! Meine heutige Episode aus dem  Buch Gottlose Type hat sehr viel auch mit  

00:00:09: aktuellen Ereignissen zu tun. Sie ist  überschrieben mit Kölner Keupstraße. 

00:00:16: Nach dem 4. November 2011 wurde es publik. Eine Nazi-Bande namens  

00:00:24: »Nationalsozialistischer Untergrund « (NSU) war über zehn Jahre lang mordend und 

00:00:31: raubend durch die Bundesrepublik  Deutschland gezogen, 

00:00:34: unbemerkt und unbehelligt. Man muss allerdings viele Fragezeichen wegwischen, um diese offizielle 

00:00:43: Version zu glauben. Ich habe  als Ob-Frau der Fraktion 

00:00:47: DIE LINKE im Untersuchungsausschuss  des Bundestages 

00:00:50: mitgearbeitet. Dabei ging  es primär um das staatliche 

00:00:55: Versagen, also der Polizei,  verschiedener Geheimdienste 

00:01:00: und der Justiz. Wir haben in Abgründe geschaut, auch in rassistische. In einem  

00:01:08: amtlichen Ermittlungsprotokoll stand nach einem weiteren Mord, 

00:01:13: diese Brutalität sei für den  westeuropäischen Kulturkreis 

00:01:18: völlig untypisch. Ein  Staatsanwalt notierte bei einem 

00:01:24: anderen Fall, man sei europaweit auf der Suche nach Zigeunern. Selbst auf  

00:01:32: meine Nachfrage im Ausschuss fand er das Schimpfwort Zigeuner völlig  

00:01:36: angemessen. Wie andere  

00:01:39: Ausschussmitglieder besuchte ich etliche Tatorte, um mir ein Bild zu machen. Wir wollten 

00:01:45: uns nicht allein auf Akten  verlassen. So war ich auch 

00:01:50: in der Kölner Keupstraße.  2004 hatten Böhnhardt und 

00:01:55: Mundlos dort eine Nagelbombe  platziert und gezündet. 

00:01:59: Zwei Dutzend Anwohnerinnen und Anwohner wurden zum Teil lebensgefährlich  

00:02:05: verletzt. Mein Begleiter öffnete mir  etliche Türen. Ich sprach mit einigen 

00:02:12: Betroffenen des NSU-Attentats. Zum Beispiel mit dem Inhaber des Geschäftes, vor dem die Bombe 

00:02:19: explodierte. Er sagte mir,  dass er noch im Herbst 2011, 

00:02:25: also sieben Jahre nach dem  Anschlag, von der Polizei 

00:02:30: bedrängt wurde. Er solle  endlich aussagen, was er mit 

00:02:35: alledem zutun habe. Schließlich  brach es aus ihm heraus: 

00:02:40: »Ich weiß, Frau Pau, auch die Polizei kann irren. Aber sie haben vergessen, dass wir Menschen sind. 

00:02:49: Das kann ich nicht verwinden.« Mein Begleiter lud mich hernach noch zu einem 

00:02:55: Glas Tee ein. Zum Abschied  fragte er mich fast verzweifelt: 

00:03:00: »Ich lebe jetzt seit rund 40 Jahren hier. Ich bin Deutscher, meine Kinder sind Deutsche, meine 

00:03:07: Enkel auch. Wo sollen wir denn hin?« Ich habe diese Episode heute mit Bedacht  

00:03:16: ausgewählt. Ich hätte nicht gedacht, dass  im Jahr 2021 in einer Sendung des öffentlich  

00:03:25: rechtlichen Rundfunks, des Westdeutschen  Rundfunks das Z Wort ohne Diskussion und ohne  

00:03:34: Kritik entsprechend verwendet wird und es erst  einer öffentlichen Aufschreis in den Netzwerken  

00:03:41: und unter Journalist*innen Kollegeninnen und  Kollegen bedurfte um den WDR dazu zu bringen,  

00:03:47: deutlich zu machen, dass er hier einen Fehler  gemacht hat! Aber auch ein anderes Ereignis hat  

00:03:55: mich zu dieser Episode in dieser Woche  motiviert. In wenigen Tagen jährt sich  

00:04:02: der tödliche Mordanschlag in Hanau. Bis  heute ist in den offiziellen Statistiken 

00:04:10: nicht ordentlich vermerkt, was das war. Ein  Mord und Mordanschläge aus rassistischen,  

00:04:19: neonazistischen Gründen und ganz wichtig:  Nein! Der Täter mag selbst und einzeln  

00:04:29: geschossen haben aber eine Einzeltäter ist er  auf gar keinen Fall, er sah sich als Teil eines  

00:04:37: Weltweiten Netzwerkes. Daran möchte ich mir der  heutigen Episode erinnern und ich hoffe, dass wir  

00:04:46: uns bald wieder in echt treffen können und nicht  nur aus dem Buch vorlesen, sondern miteinander  

00:04:54: darüber reden können wie wir Bürgerrechte  und Demokratie und zwar für alle durchsetzen!

Über diesen Podcast

Momentan fällt es uns leider sehr schwer anderen Menschen zu begegnen oder sie zu erreichen. Auch ich kann meine Mitbürger*innen nicht mehr besuchen und empfangen um mit ihnen zu sprechen und mich mit ihnen auszutauschen.
Um dem wenigstens ein klein wenig Abhilfe zu schaffen habe ich diesen Podcast aufgenommen um Ihnen regelmäßig kleine Episoden aus meinem Leben vorzulesen, welche ich in meinem Buch "Gottlose Type" festgehalten habe.

von und mit Petra Pau

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