Petra Pau - Gottlose Type

Petra Pau - Gottlose Type

Transkript

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00:00:00: Guten Tag! Auch heute möchte ich ihnen 2 Episoden aus meinem Buch "Gottlose

00:00:06: Type" vorlesen. Sie wissen ich habe diese online

00:00:12: Lesungen eingeführt weil wir aufgrund der Corona-Pandemie die schon

00:00:18: vereinbarten Lesungen nicht durchführen können.

00:00:21: Aber glücklicherweise haben wir ja die technische Möglichkeit im Gespräch zu

00:00:26: bleiben. Ich möchte ihnen eine Episode vorlesen

00:00:31: unter der Überschrift "Alles Neuland". Auf dem Weg zur Arbeit höre ich zumeist

00:00:40: Inforadio Berlin-Brandenburg. Dort gibt es alle 20 Minuten aktuelle Nachrichten.

00:00:48: So erfahre ich, nein, nicht was wichtig ist, sondern was für wichtig gehalten

00:00:54: oder wichtig gemacht wird. Das ist ein Unterschied.

00:00:57: Aber auch das muss ich wissen. Parallel genügt ein Blick auf den Laptop um im

00:01:04: Tickerdienst zu erfahren was sonst noch passiert. Das alles gehört zum Alltag,

00:01:10: jeden Morgen. Das war nicht immer so. Mitte der 1990er Jahre steckte das

00:01:17: allgemein zugängliche Internet noch in den Kinderschuhen.

00:01:22: Damals gab es elektronische Postfächer, thematische z.b. zum Rechtsextremismus

00:01:29: oder zur Friedenspolitik. Dort konnte man sich anmelden und einloggen,

00:01:35: eigene Beiträge einstellen und lesen was andere zu sagen haben. Das verband virtuell,

00:01:42: hatte aber mit der modernen, globalen Sofortkommunikation wie wir sie heute

00:01:49: kennen noch nichts zu tun. Und gab es 2-3 Tage lang mal keine neuen Einträge

00:01:56: dann war halt Ruhe im Mini-Netz. Zugang gab es ohnehin nur über koffergroße

00:02:04: Bürocomputer, die sich über ein träges Modem hörbar in das vermeintlich

00:02:10: weltweite Gewebe einwählten. Da war nichts mit News via Smartphone

00:02:16: mal flugs unterwegs gelesen. Gleichsam überschaubar und geregelt war

00:02:22: meine Öffentlichkeits- und Medienarbeit. Gelegentlich lud ich zu einer

00:02:28: Pressekonferenz ein. Je nachdem was die Redaktionen für wichtig

00:02:32: hielten oder wichtig machen wollten, kamen auch Journalistinnen und Journalisten.

00:02:37: Also mal mehr, mal weniger. Dazwischen griff ich zur zweitstärksten Waffe, zur

00:02:44: Presseerklärung. Auch dafür gab es bewährte Regeln. Aus

00:02:50: heutiger Sicht sehr komfortabel. Demnach sollte man eine Presseerklärung

00:02:56: möglichst bis 12 Uhr Mittags spätestens bis 14 Uhr verbreitet haben um die

00:03:03: Chance zu wahren in Zeitungsartikeln des Folgetages zitiert zu werden. Denn auch

00:03:10: die Zeit von Journalistinnen und Journalisten ist begrenzt und sie

00:03:14: springen auch nicht hopplahopp, nur weil ihnen eine Erklärung ins Haus flattert.

00:03:19: Obendrein droht ihnen irgendwann unverrückbar der Redaktionsschluss.

00:03:26: Inzwischen kann man diese altbewährten Regeln alle vergessen. Auch die

00:03:32: Printmedien sind nebenbei online, die Kommunikation ist allgegenwärtig.

00:03:37: Einen fixen Redaktionsschluss gibt es nicht mehr.

00:03:41: Das Fax ist ohnehin out. Das Alleskönner Handy in. Will ich heute in Medien

00:03:48: vorkommen, ob Zeitung oder Webportal, dann am

00:03:53: besten via Twitter, wo mir Journalistinnen und Journalisten online folgen. Nicht 12

00:04:00: bis 14 Uhr sondern möglichst sofort. Ellelange Erklärungen waren nie mein

00:04:06: Markenzeichen, aber nun muss meine Botschaft in maximal 140 Zeichen passen. Klar und

00:04:16: Pau sein! So Twitterte ich zum umstrittenen,

00:04:19: gleichwohl komplexen Thema Maut auf Deutschen Straßen:

00:04:24: "Rein zufällig plädiert Verkehrsminister Dobrindt (CSU)

00:04:30: ausgerechnet für ein System, dass eine totale Kontrolle aller

00:04:35: Verkehrsteilnehmer zulässt." 140 Zeichen. Erreichte ich früher 10

00:04:42: oder 20 Redaktionen auf einmal, so fliegt meine Twitter Botschaft

00:04:47: inzwischen rund um die Welt. Experten haben gerechnet,

00:04:53: demnach bedarf es maximal 8 Stationen bis eine Meinung via Internet all

00:05:00: überall verbreitetet ist. Der Sender einer Botschaft hat Follower, die den

00:05:07: Tweet verbreiten. Die wiederum haben andere Freunde, und die Freunde der

00:05:12: anderen Freunde wiederum haben noch andere Freunde.

00:05:15: So fliegt meine Botschaft weltweit in Sekunden.

00:05:21: Vorausgesetzt die getwitterten 140 Zeichen wecken Interesse.

00:05:27: Die dafür nötige Würze in der Kürze will natürlich auch erst einmal erdacht und

00:05:35: getippt werden. 2013 hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit einer

00:05:42: simplen Wortkombination Kritik und Hohn eigehandelt.

00:05:47: Sie sprach vom Neuland Internet. Offline Oma Merkel haben wohl viele gedacht. Ich

00:05:56: habe mich an dieser Häme nicht beteiligt, denn sie hat Recht. Es ist

00:06:01: keine 20 Jahre her, dass uns Kistencomputer, Spezialpostfächer und faxende

00:06:09: Geräte ergötzten. Inzwischen klingt das nach Museumsgeschichten

00:06:14: aus dem Mittelalter. Wer also weiß es besser und vor allem

00:06:20: wirklich was in noch einmal 20 Jahren sein wird?

00:06:25: Alles Neuland. Sie haben bestimmt bemerkt, dass das Buch und diese Episode 2015

00:06:33: geschrieben wurden. Ja inzwischen wurde die Zeichenzahl bei Twitter auf 280

00:06:40: erhöht, aber trotz alledem muss man das kurz und bündig fassen.

00:06:45: und ich habe in dieser Episode auch nicht über die Verantwortung geschrieben,

00:06:50: die wir alle haben, die wir diese Kommunikationskanäle nutzen.

00:06:55: Viel zu oft verbreiten verantwortungslose Menschen auch Fake

00:07:00: News, Lügen, und versuchen da Panik zu schüren.

00:07:05: Deshalb bitte ich sie einerseits diese Kommunikationsmöglichkeiten zu nutzen um

00:07:12: in Kontakt zu bleiben, gleichzeitig aber auch zu prüfen ob dann

00:07:17: tatsächlich die Nachricht, die ihnen gerade aufflackert richtig ist, oder ob hier

00:07:24: jemand versucht Unheil anzurichten. Wir müssen alle hier Verantwortung tragen.

00:07:29: Gerade in dieser Zeit, wo sich die Ereignisse überschlagen und wir noch

00:07:35: nicht wissen wie wir die Corona Pandemie, wann überwunden haben werden.

Über diesen Podcast

Momentan fällt es uns leider sehr schwer anderen Menschen zu begegnen oder sie zu erreichen. Auch ich kann meine Mitbürger*innen nicht mehr besuchen und empfangen um mit ihnen zu sprechen und mich mit ihnen auszutauschen.
Um dem wenigstens ein klein wenig Abhilfe zu schaffen habe ich diesen Podcast aufgenommen um Ihnen regelmäßig kleine Episoden aus meinem Leben vorzulesen, welche ich in meinem Buch "Gottlose Type" festgehalten habe.

von und mit Petra Pau

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