00:00:00: Guten Tag! Auch heute möchte ich ihnen 2 Episoden aus meinem Buch "Gottlose
00:00:06: Type" vorlesen. Sie wissen ich habe diese online
00:00:12: Lesungen eingeführt weil wir aufgrund der Corona-Pandemie die schon
00:00:18: vereinbarten Lesungen nicht durchführen können.
00:00:21: Aber glücklicherweise haben wir ja die technische Möglichkeit im Gespräch zu
00:00:26: bleiben. Ich möchte ihnen eine Episode vorlesen
00:00:31: unter der Überschrift "Alles Neuland". Auf dem Weg zur Arbeit höre ich zumeist
00:00:40: Inforadio Berlin-Brandenburg. Dort gibt es alle 20 Minuten aktuelle Nachrichten.
00:00:48: So erfahre ich, nein, nicht was wichtig ist, sondern was für wichtig gehalten
00:00:54: oder wichtig gemacht wird. Das ist ein Unterschied.
00:00:57: Aber auch das muss ich wissen. Parallel genügt ein Blick auf den Laptop um im
00:01:04: Tickerdienst zu erfahren was sonst noch passiert. Das alles gehört zum Alltag,
00:01:10: jeden Morgen. Das war nicht immer so. Mitte der 1990er Jahre steckte das
00:01:17: allgemein zugängliche Internet noch in den Kinderschuhen.
00:01:22: Damals gab es elektronische Postfächer, thematische z.b. zum Rechtsextremismus
00:01:29: oder zur Friedenspolitik. Dort konnte man sich anmelden und einloggen,
00:01:35: eigene Beiträge einstellen und lesen was andere zu sagen haben. Das verband virtuell,
00:01:42: hatte aber mit der modernen, globalen Sofortkommunikation wie wir sie heute
00:01:49: kennen noch nichts zu tun. Und gab es 2-3 Tage lang mal keine neuen Einträge
00:01:56: dann war halt Ruhe im Mini-Netz. Zugang gab es ohnehin nur über koffergroße
00:02:04: Bürocomputer, die sich über ein träges Modem hörbar in das vermeintlich
00:02:10: weltweite Gewebe einwählten. Da war nichts mit News via Smartphone
00:02:16: mal flugs unterwegs gelesen. Gleichsam überschaubar und geregelt war
00:02:22: meine Öffentlichkeits- und Medienarbeit. Gelegentlich lud ich zu einer
00:02:28: Pressekonferenz ein. Je nachdem was die Redaktionen für wichtig
00:02:32: hielten oder wichtig machen wollten, kamen auch Journalistinnen und Journalisten.
00:02:37: Also mal mehr, mal weniger. Dazwischen griff ich zur zweitstärksten Waffe, zur
00:02:44: Presseerklärung. Auch dafür gab es bewährte Regeln. Aus
00:02:50: heutiger Sicht sehr komfortabel. Demnach sollte man eine Presseerklärung
00:02:56: möglichst bis 12 Uhr Mittags spätestens bis 14 Uhr verbreitet haben um die
00:03:03: Chance zu wahren in Zeitungsartikeln des Folgetages zitiert zu werden. Denn auch
00:03:10: die Zeit von Journalistinnen und Journalisten ist begrenzt und sie
00:03:14: springen auch nicht hopplahopp, nur weil ihnen eine Erklärung ins Haus flattert.
00:03:19: Obendrein droht ihnen irgendwann unverrückbar der Redaktionsschluss.
00:03:26: Inzwischen kann man diese altbewährten Regeln alle vergessen. Auch die
00:03:32: Printmedien sind nebenbei online, die Kommunikation ist allgegenwärtig.
00:03:37: Einen fixen Redaktionsschluss gibt es nicht mehr.
00:03:41: Das Fax ist ohnehin out. Das Alleskönner Handy in. Will ich heute in Medien
00:03:48: vorkommen, ob Zeitung oder Webportal, dann am
00:03:53: besten via Twitter, wo mir Journalistinnen und Journalisten online folgen. Nicht 12
00:04:00: bis 14 Uhr sondern möglichst sofort. Ellelange Erklärungen waren nie mein
00:04:06: Markenzeichen, aber nun muss meine Botschaft in maximal 140 Zeichen passen. Klar und
00:04:16: Pau sein! So Twitterte ich zum umstrittenen,
00:04:19: gleichwohl komplexen Thema Maut auf Deutschen Straßen:
00:04:24: "Rein zufällig plädiert Verkehrsminister Dobrindt (CSU)
00:04:30: ausgerechnet für ein System, dass eine totale Kontrolle aller
00:04:35: Verkehrsteilnehmer zulässt." 140 Zeichen. Erreichte ich früher 10
00:04:42: oder 20 Redaktionen auf einmal, so fliegt meine Twitter Botschaft
00:04:47: inzwischen rund um die Welt. Experten haben gerechnet,
00:04:53: demnach bedarf es maximal 8 Stationen bis eine Meinung via Internet all
00:05:00: überall verbreitetet ist. Der Sender einer Botschaft hat Follower, die den
00:05:07: Tweet verbreiten. Die wiederum haben andere Freunde, und die Freunde der
00:05:12: anderen Freunde wiederum haben noch andere Freunde.
00:05:15: So fliegt meine Botschaft weltweit in Sekunden.
00:05:21: Vorausgesetzt die getwitterten 140 Zeichen wecken Interesse.
00:05:27: Die dafür nötige Würze in der Kürze will natürlich auch erst einmal erdacht und
00:05:35: getippt werden. 2013 hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit einer
00:05:42: simplen Wortkombination Kritik und Hohn eigehandelt.
00:05:47: Sie sprach vom Neuland Internet. Offline Oma Merkel haben wohl viele gedacht. Ich
00:05:56: habe mich an dieser Häme nicht beteiligt, denn sie hat Recht. Es ist
00:06:01: keine 20 Jahre her, dass uns Kistencomputer, Spezialpostfächer und faxende
00:06:09: Geräte ergötzten. Inzwischen klingt das nach Museumsgeschichten
00:06:14: aus dem Mittelalter. Wer also weiß es besser und vor allem
00:06:20: wirklich was in noch einmal 20 Jahren sein wird?
00:06:25: Alles Neuland. Sie haben bestimmt bemerkt, dass das Buch und diese Episode 2015
00:06:33: geschrieben wurden. Ja inzwischen wurde die Zeichenzahl bei Twitter auf 280
00:06:40: erhöht, aber trotz alledem muss man das kurz und bündig fassen.
00:06:45: und ich habe in dieser Episode auch nicht über die Verantwortung geschrieben,
00:06:50: die wir alle haben, die wir diese Kommunikationskanäle nutzen.
00:06:55: Viel zu oft verbreiten verantwortungslose Menschen auch Fake
00:07:00: News, Lügen, und versuchen da Panik zu schüren.
00:07:05: Deshalb bitte ich sie einerseits diese Kommunikationsmöglichkeiten zu nutzen um
00:07:12: in Kontakt zu bleiben, gleichzeitig aber auch zu prüfen ob dann
00:07:17: tatsächlich die Nachricht, die ihnen gerade aufflackert richtig ist, oder ob hier
00:07:24: jemand versucht Unheil anzurichten. Wir müssen alle hier Verantwortung tragen.
00:07:29: Gerade in dieser Zeit, wo sich die Ereignisse überschlagen und wir noch
00:07:35: nicht wissen wie wir die Corona Pandemie, wann überwunden haben werden.